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    Anne Patsch

    Die erfolgreiche Strafverteidigerin
    gegen alle Anschuldigungen von
    Sexualdelikten. Bundesweit.

     
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    Die Wendung zum Guten
    fußt auf Vertrauen.

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    Kleine Unterschiede
    bestimmen den Erfolg!

Folgen Reform Sexualstrafrecht

Fahrlässige Vergewaltigung und weitere absurde Resultate der Änderung des Sexualstrafrechts

Fahrlässige Vergewaltigung question mark 1363011 640

Der Gesetzestext des § 177 StGB (Sexuelle Nötigung / Vergewaltigung) legt die Möglichkeit der fahrlässigen Vergewaltigung tatsächlich nahe. Denn durch die Reform Sexualstrafrecht wird es hier bald wie folgt heißen:

„(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“. Es braucht also nicht mehr die Tatbestandsmerkmale der Nötigung und / oder Gewaltanwendung zur Begehung einer Vergewaltigung.

Gewiss war das Konstrukt der „fahrlässiges Vergewaltigung“ nicht die Intention des Gesetzgebers. Dennoch bleibt der Wortlaut „gegen den erkennbaren Willen“ dogmatisch fraglich, wenn und indem die „Erkennbarkeit“ objektives Tatbestandsmerkmal eines Vorsatzdelikts ist. Denn vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der „Täter“ den entgegenstehenden Willen des Opfers tatsächlich auch erkannt hat.

Ob ich einen entgegenstehenden Willen aber erkannt habe - das ist aber weit mehr, als dass der entgegenstehende Wille für mich erkennbar war. Sprich: Objektiv betrachtet war der Wille für mich erkennbar, subjektiv habe ich ihn aber trotzdem nicht erkannt. Daraus wird nun eine fahrlässige Handlung gefolgert.
Objektiver und subjektiver Tatbestand sind also – wie die Dogmatik sagen würde – nicht kongruent.

Die Intention des Gesetzgebers bzgl. der Änderung des Sexualstrafrechts war wohl wirklich eine andere. Nämlich, mit dem Begriff „erkennbar“ eine Abgrenzung gegen den seitens des „Opfers“ nur innerlich entgegenstehenden Willen in Bezug auf die sexuelle Handlung vorzunehmen. Zu befürchten steht also, dass die Gerichte bei objektiver Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens den Einwand des Angeklagten, er habe diesen nicht erkannt, als bloße Schutzbehauptung werten. Faktisch liegt dann tatsächlich eine „fahrlässige Vergewaltigung“ vor.


Weitere groteske Konstellationen infolge der Neufassung des Vergewaltigungs-Tatbestands

Die Neufassung des Tatbestands der Vergewaltigung bringt auch noch weitere groteske Konstellationen mit sich, die vermutlich nicht so ganz in der Intention des Gesetzgebers standen. Naturgemäß führen solche Dinge auch zu der einen oder anderen Polemik. Hier einige Beispiele:

Unwilliger Mann  question mark 1363011 640

Denken Sie etwa an die Situation eines Paares im Bett. Die Frau will Sex, der Mann nicht. Sie ignoriert sein „nein“, und reizt ihn solange, bis er schließlich mit ihr schläft. Ist das eine Vergewaltigung zum Nachteil des Mannes? An sich: ja. Immerhin hat sie sein „Nein“ ignoriert. Doch welcher Mann würde hier seine Partnerin anzeigen?! Das Gelächter wäre ihm vermutlich sicher.

Erster Kuss question mark 1363011 640

Ebenso grotesk – aber folgerichtig: Der erste Kuss wird strafbar.
Denn der erste bzw. ein ein überraschender Kuss ist entsprechend der Neufassung des Sexualstrafrechts nunmehr sexuelle Nötigung – eine sexuelle Handlung unter Ausnutzung eines Überraschungsmoment (§ 177 Abs.2 Nr. 3 StGB).
Sollte es sich um einen Zungenkuss handeln, handelt es sich streng genommen sogar um eine Vergewaltigung. Denn ein Zungenkuss bedeutet immerhin ein “Eindringen in eine Körperöffnung“, also den Mund. Folge: Die Freiheitsstrafe zwischen zwei und fünfzehn Jahren. Absurd!


Persönliche Ambivalenzen: „Seitensprünge“, Bordellbesuche u.a. question mark 1363011 640

Absurd wäre auch die konsequente strafrechtliche Beurteilung von Seitensprüngen oder Bordellbesuchen nach der Reform des Sexualstrafrechts. Strafbar wären dabei solche, die unter „schlechtem Gewissen“ dem Partner gegenüber erfolgen oder den eigenen Moral- oder Glaubensvorstellung widersprechen.
Ein Beispiel: Ein Mann befriedigt seine sexuellen Neigungen mit einer Prostituierten, verbietet sich diese aber gleichzeitig aus eigenen Moral- oder Glaubensvorstellungen. Wenn die Prostituierte von den Gewissenskonflikten des Freiers weiß, macht sie sich nach dem reformierten Sexualstrafrecht ganz klar strafbar.


„Erschlichenes Einverständnis“ und Verführungskünste question mark 1363011 640

Eine Strafbarkeit besteht nach neuem Sexualstrafrecht auch dann, wenn ein Mann oder eine Frau sich nach anfänglicher Unlust doch noch von den Verführungskünsten des Partners oder der Partnerin hat überzeugen lassen. Oder dann, wenn die Bereitschaft zum Sex mit dem konkludenten Versprechen einer Beziehung verbunden war, es aber beim One-Night-Stand bleibt. Auch diese Möglichkeiten scheinen absurd.


Lustfeindlich - oder gar verfassungswidrig?

hammer 719066 1920Mit der Formulierung des „erkennbaren Willens“ wird Sex zugleich zur „Körperverletzung“, in die eingewilligt werden muss! Eine versteckte Lustfeindlichkeit ist hier also kaum zu übersehen.

Letztlich könnte man sogar so weit gehen, den neuen Vergewaltigungs-Tatbestand für verfassungswidrig zu halten. Denn: Er ist einfach zu unbestimmt. Dadurch dass der Wortlaut einzig auf den „erkennbaren Willen“ des „Opfers“ eingeht, dabei aber gerade nicht verdeutlicht, wann ein Verhalten dem tatsächlich "erkennbaren Wille" einer Person entspricht und wann nicht, entstehen die oben genannten Unklarheiten. Zulässige Formen der Willensbeeinflussung werden also nicht mehr von unzulässigen Formen abgegrenzt, wie dies bei der noch aktuellen Fassung der „Vergewaltigung“ in § 177 der Fall ist. Denn dieser bestimmt die Formen unzulässiger Willensbeeinflussung noch klar mit den Worten:

„(1) Wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben…“..“zu sexuellen Handlungen nötigt“. Fehlten also Nötigung, Gewalt und/ oder Zwang, fehlte es auch an dem Tatbestand einer Vergewaltigung. Das wird nun anders. Denn wann Sie sich strafbar machen, können Sie dem Gesetz künftig nicht mehr entnehmen. Verfassungsrechtlich ist dies in Anbetracht der gigantischen Strafandrohung also äußert fraglich.

Conclusio

Ob künftig noch mehr Anzeigen, noch mehr Verurteilungen und noch mehr Falschbeschuldigungen zu erwarten sind, bleibt abzuwarten.
Und auch, wie sich die sich aus der Neuregelung ergebenden, oben genannten absurden Konstellationen rund um ambivalentes Verhalten, innere Vorbehalte, Überraschungsmomente und lustmachende Verführungskünste lösen lassen. Denkbar ist hier z.B. das Herausfischen strafwürdigen Verhaltens bei der Anzeigenerstattung durch Polizei und Staatsanwaltschaft; aber auch prozessrechtliche „Lösungen“ wie der Einstellung des Verfahrens „wegen geringer Schuld“ nach § 153 a StPO. Zugespitzt könnten auch Einwilligungsformulare, die man sich „davor“ künftig besser vom Partner unterschreiben lässt, denkbar sein. Oder besser gleich Videoaufzeichnungen? - Ich bin gespannt.

Was bleiben wird ist allerdings die bereits jetzt kaum mögliche Beweisbarkeit, ob der Sex zwischen zwei Menschen Vergewaltigung war oder nicht. Und somit bleibt auch die „Aussage-gegen-Aussage“-Konstellation mangels üblicherweise nicht vorhandener Zeugen.

Und das Positive?

Einzig positiv: Der Gesetzgeber hat einen Rest Eigenverantwortung bei den potentiellen Opfern belassen, indem er es bei der Neufassung des § 177 StGB zumindest bei einem „Nein heißt Nein“ beließ und nicht gar die Alternative – „Ja heißt Ja“ - umsetzte.
Rechtlich denkbar wäre auch dies gewesen. Verlangt doch die Istanbul-Konvention des Europarats, dass jede „nicht einverständliche“ sexuelle Handlung bestraft wird. Die Formulierung „gegen den erkennbaren Willen“ bleibt dahinter zurück und ein ”Ja heißt Ja“ wäre denkbar. Damit würden weitere ambivalente Situationen geschaffen und potentiell unter Strafe gestellt; gleichzeitig das potentielle Opfer endgültig jeglicher Eigenverantwortung enthoben.


Unguter Beigeschmack?

Einen unguten Geschmack hat auch diese Reform des Sexualstrafrechts hinterlassen, anstelle ihn im 21. Jahrhundert endlich einmal aufzulösen:
Denn nonverbal und zwischen den Zeilen bleiben, neben der versteckten Lustfeindlichkeit der Gesetzesreform, die Männer weiter diejenigen, die immer nur auf Sex aus sind. Und natürlich immer „wollen“. Dass dies nicht so ist, dürfte inzwischen klar sein – die Gesetzestexte sind immerhin geschlechtsneutral formuliert. Aber wenn ein Mann eine Frau dann doch anzeigt, erntet er nicht selten Spott.

 

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