Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung
Hoffnung macht ein Beschluss des BGH (BGH 4 StR 132/15) vom 28.7.2015! Denn darin hat der BGH ein Urteil des Landgerichts Essen wegen Vergewaltigung aufgehoben und zur neuen Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Essen zurückgewiesen.
Dabei lag der Beweiswürdigung des Urteils des Landgerichts Essen die bei der Verteidigung gegen die Vorwürfe sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch häufig gegebene sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zugrunde, bei welcher der bestreitenden Einlassung des Angeklagten einzig die Belastungsaussage gegenübersteht, während andere Beweismittel, insbesondere Spuren, fehlen.
Denn in einem derartigen Fall, in dem eine Verurteilung allein auf der Belastungsaussage eines einzigen Zeugen beruht, muss die Aussage dieses Zeugen erhöhten Anforderungen an die Glaubwürdigkeit genügen. Insbesondere muss dann den Urteilsgründen zu entnehmen sein, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (zuletzt NStZ-RR 2013, NSTZ-RR Jahr 2013 Seite 119, ständige Rechtsprechung).
Virulent wird dies sonach insbesondere dann, wenn das Gericht nur einen Teil der Belastungsaussage für glaubhaft erachtet, und der Belastungsaussage in anderen Teilen nicht folgt.
So auch im konkreten Fall vor dem Landgericht Essen. Hier hatte die Belastungszeugin insgesamt 4 Taten der Vergewaltigung zu verschiedenen Zeitpunkten behauptet; das Gericht hatte indes lediglich die Behauptungen der Zeugin zu einem Zeitpunkt geglaubt und den Mann wegen dieser auch verurteilt.
Dabei unterließ das Landgericht Essen, in den Urteilsgründen detailliert auszuführen, warum es den Angaben der Zeugin hinsichtlich der tatsächlich auch abgeurteilten Tat Glauben schenkte, obwohl deren Aussagen auch nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der weiteren von ihr behaupteten Vergewaltigungen nicht glaubhaft waren.
Revision gegen Urteil wegen Vergewaltigung
Einen Teilerfolg in der Revision konnte ein vor dem Landgericht Kaiserslautern Angeklagter erzielen.
So hob der BGH mit Beschluss vom 18.06.2015 (Aktenzeichen 4 StR 46/15) ein Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 17. November 2014 auf die Revision des Angeklagten teilweise auf und verwies es im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern.
Denn zu Unrecht hatte das Landgericht Kaiserslautern den Angeklagten u.a. wegen Vergewaltigung in drei Fällen verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dabei hatte das Landgericht verkannt, dass es sich bei den als zwei selbständigen, real konkurrierenden Vergewaltigungstaten ausgeurteilten Taten -
der Angeklagte hatte die Belastungszeugin im Abstand von einigen Stunden zweimal vergewaltigt – tatsächlich nur um eine einheitliche Tat der Vergewaltigung handelte. Dies, da der Angeklagte die zur Erzwingung des ersten Geschlechtsverkehrs von ihm für die Zeugin geschaffene Bedrohungssituation während des zweiten erzwungenen Geschlechtsverkehrs lediglich ausnutzte, nicht aber aufgrund neuen Tatentschlusses erst erschaffen musste. Mithin bestand die Bedrohungssituation aus der ersten Vergewaltigungshandlung während des Stunden später abermals erzwungenen Geschlechtsverkehrs noch fort. Die sexuellen Handlungen wurden sonach durch den Einsatz desselben Nötigungsmittels erzwungen. Mithin war die Tat als einheitliche Tat der Vergewaltigung zu beurteilen.
Aussage-gegen-Aussage-Konstellation
Gegen ein Urteil des Landgerichts Göttingen war die Revision eines Angeklagten erfolgreich. Dem Verfahren lag eine sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zugrunde. Hier hatte das Landgericht Göttingen den Mann am 14.1.2015 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren verurteilt. Auf die Revision des Mannes hob der BGH das Urteil nunmehr mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Göttingen zurück (vgl. Beschluss vom 30.06.2015 (Aktenzeichen 5 StR 215/15).
Als „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ werden Beweiskonstellationen verstanden, in denen sich die Aussage des Beschuldigten und die Belastungsaussage widersprechen und es gleichzeitig keine weiteren Beweismittel zu dem vom Belastungszeugen behaupteten Tathergang gibt; insbesondere also beim Vorwurf der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung sowie des sexuellen Missbrauchs.
Im hier vorliegenden Verfahren des Landgerichts Göttingen erhöhte der BGH die Anforderungen an Beweiswürdigung des Landgerichts aufgrund der gegebenen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. So hätte nach Ansicht des BGH das Landgericht u.a. die Möglichkeit einer unbewussten Falschbelastung infolge von Autosuggestion bzw. Fremdsuggestion näher zu prüfen gehabt, zumal die Belastungszeugin nachweislich an einer Borderline-Störung litt und zudem während der behaupteten Tat erheblich alkoholisiert war.