Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main stellt Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung gegen Gynäkologen ein
Ein renommierter und erfahrener Frauenarzt sah sich mit einem Verfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung, § 184i StGB konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung – mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
Immer wieder Propofol
Mit einem Verfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung, § 184i StGB konfrontiert sah sich mein Mandant, ein renommierter und erfahrener Frauenarzt.
Gleichzeitig leitete die Landesärztekammer auf die Beschwerde der Anzeigenerstatterin ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Arzt ein.
In Bezug auf die Tatvorwürfe gab die Anzeigenerstatterin (nachfolgend: Patientin) an, sie habe sich am Vortag von dem Beschuldigten – ihrem Gynäkologen- in dessen Praxis unter einer Propofol-Narkose eine „Kupferkette“ (Spirale) operativ einsetzen lassen.
Im Aufwachraum habe man sich sodann unterhalten; und dabei auch miteinander geflirtet, locker unterhalten und sich dabei geduzt. Er habe ihr dann über das Gesicht gestreichelt und sie kurz auf die Lippen geküsst.
Stellungnahme der Verteidigung
In unserer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft konnten wir zunächst darlegen, dass die Aussage bereits objektiv in vielen Bereichen unrichtig war.
Denn nicht mein Mandant, sondern eine Kollegin hatte den Eingriff an der Patientin vorgenommen. Nach dem Eingriff sei die Patientin in den Aufwachraum gebracht worden. Tatsächlich hatte mein Mandant routinemäßig und als Verantwortlicher seiner Praxis nach ihr gesehen, um sich zu vergewissern, ob sie die OP und Narkose gut überstanden hatte. Allein war er dabei indes nicht, sondern vielmehr in Begleitung seines Anästhesisten.
Er habe die Zeugin sodann angesprochen; hierbei am Arm gefasst sowie an der Wange leicht berührt, um zu sehen, ob sie bereits wieder bei vollem Bewusstsein sei. Nachdem er den Eindruck hatte, dass die Zeugin bereits wieder aufnahmefähig sei, habe er ihr erklärt, dass sie, wie nach Einsetzen einer Spirale üblich - in den folgenden 14 Tagen keinen Geschlechtsverkehr haben und auch keinen Tampon benutzen solle. Hierauf zeigte die Zeugin sich sehr überrascht; ihre bis dato fast euphorische Stimmung sei komplett umgeschlagen und sie habe fast vorwurfsvoll, ob sie denn auch nicht masturbieren dürfe.
Auch dies habe er wahrheits- und pflichtgemäß verneint mit der Begründung, dass dadurch die Spirale herausfallen und sogar entzündliche Prozesse hervorrufen könne. Dies habe der Zeugin nicht gefallen. Entsprechend reagierte sie enttäuscht und abermals leicht vorwurfsvoll. Daraufhin habe er die Zeugin besänftigend am Oberarm leicht berührt.
Während dieses Gesprächs habe er – wie auch der ebenfalls anwesende Anästhesist aufgrund der Corona-Pandemie ununterbrochen Mundschutz getragen, so dass die Angabe der Patientin, er habe sie auf die Lippen geküsst, bereits objektiv unzutreffend war.
Rufschädigung via Instagram
In der Folgezeit verbreitete die ehemalige Patientin sodann auf Instagram, ihr Arzt habe sie sexuell belästigt; verbunden mit dem Aufruf an weitere „Geschädigte“, sich bei ihr oder der Polizei und Landesärztekammer zu melden. Diese Rufschädigung konnte glücklicherweise mit der Androhung einer Unterlassungsverfügung abgewendet werden.
Ergänzende Beweiswürdigung
Neben der Darlegung der bereits objektiven Unstimmigkeiten machten wir in unserer Verteidigererklärung wie regelmäßig Ausführungen zur Beweiswürdigung, also insbesondere zur Aussagetüchtigkeit und Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage im Übrigen. Naturgemäß erhöht dies die Aussichten auf eine Einstellung des Verfahrens, denn
erfahrungsgemäß neigen Staatsanwaltschaften offenbar zunächst dazu, der Sachverhalts-Schilderung der Anzeigenerstatterin zu folgen.
Entsprechend begründeten wir die fehlende Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage. Vorliegend ließ sich insbesondere die Hypothese der nicht-absichtlichen, also irrtümlichen Falschaussage aufgrund auto- wie fremdsuggestiver Beeinflussung nicht zurückweisen.
Darüber hinaus argumentierten wir mit der fehlenden Aussagetüchtigkeit, also der Fähigkeit, ein reales Geschehen entsprechend der Realität wahrzunehmen, im Gedächtnis zu speichern und anschließend wiederzugeben. Dies war mit Blick auf die zum Zeitpunkt des fraglichen Geschehens latent noch fortwirkende Propofol-Sedierung zweifelhaft. Vielmehr stand die Patientin während des hier verfahrensgegenständlichen Geschehens noch unter den bewusstseinsbeeinträchtigenden Wirkungen der Narkose; nicht ausschließbar erlitt sie ein halluzinatorisches Erleben. Diese Wirkung ist insbesondere bei dem hier verwendeten Propofol bekannt; insbesondere auch in Form sexueller Phantasien.
Die Einstellungsgründe der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung – mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
Sie begründete dies in einer Gesamtwürdigung u.a. damit, dass die Aussage der Patientin in der gegebenen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen gewesen sei. In einer derartigen Konstellation müssten weitere objektive Beweismittel hinzutreten, die ein Übergewicht der Aussage der Belastungszeugin als einzige Tatzeugin erkennen ließen – was hier nicht der Fall war.
Begrüßenswert: Staatsanwaltschaft zur sexuellen Belästigung
Positiv aus Sicht der Verteidigung war überdies, dass sich die Staatsanwaltschaft mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 184i StGB (sexuelle Belästigung) auseinandersetzte.
Hier räumte sie dem Tatbestandsmerkmal der „Erheblichkeit“ der sexuellen Handlung eine limitierende Rolle ein. Demnach bedarf es einer sexuellen Belästigung im Sinne des § 184i des Strafgesetzbuchs einer gewissen Erheblichkeit i.S.v. § 184h Nr.1 des Strafgesetzbuches.
Erheblichkeit wiederum sei indes nur dann anzunehmen, wenn die fragliche sexuelle Handlung für die sexuelle Selbstbestimmung „nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung“ darstelle. Dies zu beurteilen richte sich nach den jeweiligen Begleitumständen zwischen den Beteiligten – Berührungen in ohnehin flirtender Stimmung gelten demnach als weniger erhebliche „Beeinträchtigung“.