Amtsgericht Heilbronn stellt Ermittlungsverfahren gegen Arzt wegen versuchter sexueller Nötigung ein
Enttäuschend in jeder Hinsicht verlief für meinen Mandanten, einen Klinikarzt, die Partnersuche über „Tinder“. Denn es war nicht damit getan, dass die „Date-Partnerin“ in der Realität in keiner Weise optisch ihrem bei „Tinder“ eingestellten Profil entsprach. Vielmehr erstattete sie zudem und zu Unrecht Anzeige wegen sexuellen Übergriffs gegen den Arzt.
Höflichkeit und Missverständnisse
Die Beteiligten lernten sich über die Dating-App Tinder kennen. Sie trafen sich persönlich erstmalig am Tag des hier verfahrensgegenständlichen Geschehens in der Privatwohnung der Anzeigenerstatterin (Zeugin). Geplant war ein Abendessen in einem von der Zeugin ausgewählten und nahe ihrer Wohnung liegenden Lokal, zu dem er die Zeugin abholen sollte. Da die Zeugin vorgab, noch nicht ganz „ausgehfertig“ zu sein, bat die Zeugin ihn in ihre Wohnung.
Bereits nach dem ersten Blickkontakt spürte mein Mandant, dass er das Date am liebsten umgehend beenden wolle; was er aus Höflichkeit nicht tat. Um zumindest ein langes gemeinsame Abendessen mit der Zeugin in einem Lokal zu vermeiden, versuchte er die Zeugin dazu zu bewegen, einfach eine Pizza in die Wohnung zu bestellen, nach deren Verzehr er schnell wieder hätte gehen können. Diese indes hatte es dann offenbar eilig, rechtzeitig die Reservierung in ihrem ausgesuchten Lokal wahrzunehmen und ihre Garderobe/ Ausgangstür zu erreichen. Hiervon versuchte er weiterhin, die Zeugin abzuhalten und ihr beschwichtigend zu erklären, dass der Pizza-Lieferdienst dann doch die bessere Option sei.
Die Zeugin setzte sich durch und man „absolvierte“ das geplante Abendessen entsprechend der Reservierung im Lokal.
Strafanzeige wegen versuchter sexueller Nötigung
Monate später – mein Mandant hatte das wenig schöne „Date“ längst vergessen, überraschte ihn dann eine Vorladung als Beschuldiger wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung.
Die Akteneinsicht ergab sodann die unzutreffenden Schilderungen der Zeugin, wonach mein Mandant mehrfach versucht habe, die Zeugin gegen deren Willen zu küssen, wobei er ihr Gesicht festgehalten habe; ferner habe er sie an den Handgelenken festgehalten, um sie an sich heranzuziehen. Dieser Umstand habe dazu geführt, dass die Zeugin den Beschuldigten gegen eine Wand gestoßen habe, um die Wohnung verlassen zu können.
Widersprüche ergeben sich insofern, als dass der Aufnahme der Strafanzeige zu entnehmen ist, die Zeugin habe die Wohnungstür geöffnet, weil sie gehofft habe, die Nachbarn würden etwas hören. Etwas später in ihrer polizeilichen Vernehmung gab sie hingegen an, es haben sich keine Nachbarn im Haus befunden.
Unsere Stellungnahme
In unserer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft klärten wir zunächst einige Missverständnisse. So etwa, dass mein Mandant lediglich seine Hände an die Schultern der Zeugin gelegt, sich leicht zu ihr vorgebeugt und gesagt: „Hey, lass uns doch hierbleiben und die Pizza einfach bestellen“ habe. Diese Körperhaltung habe er aufgrund des immensen Größenunterschieds (rund 45 cm) der Beteiligten eingenommen in der Hoffnung, die Zeugin von dem Restaurantbesuch abzubringen, eingenommen.
Die Zeugin sei dann aber an ihm vorbei in den Hausflur gegangen. Er sei ihr gefolgt, habe seine Hände abermals – beschwichtigend- an ihre Schultern gelegt, sich nach unten vorne gebeugt und sodann wie ein anhängliches Kind seinen Kopf an ihre Schultern gelegt. Dabei seien sich ihre Wangen nahegekommen.
Auch hier habe er – beschwichtigend- versucht, die Zeugin dazu zu bewegen, die Pizza in der Wohnung zu essen, anstatt das Lokal aufzusuchen.
Nicht ausschließbar habe er hierbei die Handgelenke der Zeugin leicht berührt; dies also sicherlich nicht gewaltsam.
Daneben begründeten wir in aussagepsychologischer Hinsicht die fehlende Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage. Insbesondere ließ sich vorliegend die Hypothese der irrtümlichen Falschaussage nicht zurückweisen. Insbesondere fanden sich Unstimmigkeiten in der Aussageentstehung sowie Entwicklung der Belastungsaussage sowie deutliche Hinweise auf suggestive Einflüsse.
Im Ergebnis?
Im Ergebnis zeigte die Staatsanwaltschaft hiervon zunächst nur teilweise beeindruckt. Statt einer öffentlichkeitswirksamen Hauptverhandlung nach Anklageerhebung beantragte sie beim Amtsgericht einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten. Das Amtsgericht lehnte dies indes ab und stellte das Verfahren gegen meinen Mandanten nach § 153 der Strafprozessordnung ein.
Berufsrechtliche Folgen trotz Einstellung nach §§ 153, 153 a der Strafprozessordnung?
Mit einer Einstellung nach den §§ 153, 153 a der Strafprozessordnung bleiben die gravierenden berufsrechtlichen Folgen für Ärzte wie berufsrechtliche Verfahren vor dem HKG, Ruhen oder Widerruf er Approbation, Entzug der vertragsärztlichen Zulassung durch den Zulassungsausschuss sowie Disziplinarverfahren bei der Kassenärztlichen Vereinigung anders als bei einer strafrechtlichen Verurteilung weitgehend gut zu bewältigen. Dies insbesondere dann, wenn das der Einstellung nach §§ 153, 153 a zugrundeliegende Geschehen sich außerhalb der ärztlichen Berufsausübung ereignete. §§ 153, 153 a bedeuten weder Schuldspruch noch Eintragung im Bundeszentralregister.
Zugleich und im Gegensatz zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO Die Einstellung gemäß §§ 153, 153 a StPO beseitigt leider nicht den hinreichenden Tatverdacht, so dass ein Schuldvorwurf verbleibt. Dies wiederum präjudiziert berufsrechtliche Verfahren wie insbesondere berufsrechtliche Verfahren vor dem HKG sowie Disziplinarverfahren bei der Kassenärztlichen Vereinigung.
Lässt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht also eine Einstellung gemäß §§ 153, 153 a StPO alternativ zur (öffentlichen) Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu, gilt es insbesondere, die potenziellen berufsrechtlichen Folgen abzuwägen.
So waren in der Situation meines Mandanten in dem hier beschriebenen Verfahren gut einschätzbar; insbesondere das Ruhen oder der Widerruf er Approbation, und ein Entzug der vertragsärztlichen Zulassung unrealistisch.
Anders bei einer strafrechtlichen Verurteilung. Denn dann können die im Strafurteil, ebenso die im Strafbefehl (!) getroffenen strafgerichtlichen Feststellungen als Entscheidungsgrundlage im Verfahren über den Entzug der Approbation herangezogen werden.
Achtung § 26 MiStra!
Ist der Beschuldigte bzw. Angeschuldigte Angehöriger eines Heilberufs, müssen die Staatsanwaltschaften gemäß Nr. 26 MiStra dazu verpflichtet, bei Anklageerhebung die jeweils zuständige Berufskamme darüber zu informieren – vorausgesetzt, die zuständige Berufskammer besteht als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Weitere Voraussetzung: der Tatvorwurf lässt den Rückschluss auf die Pflichtverletzungen bei der Ausübung des Berufes zu. Oder ist sonst geeignet, Eignung und Zuverlässigkeit des Beschuldigten bzw. Angeschuldigten hinsichtlich seiner Berufsausübung hervorzurufen. Gerade letzteres lässt sich nahezu immer begründen. So dass bereits eine Anklageerhebung bzw. der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen einen Arzt, Therapeuten, Heilpraktiker oder Logopäden erfahrungsgemäß zumeist zu einer entsprechenden Reaktion der jeweiligen Berufskammer führt. Länderspezifisch und je nach der Schwere des Vorwurfs in Gestalt einer schriftlichen oder mündlichen „Anhörung“ bei der Berufskammer.