Sexuelle Belästigung - § 184i StGB
Seit dem 10.11.2016
Der durch die letzte Reform des Strafrechts in Deutschland ebenfalls eingeführte Tatbestand Sexuelle Belästigung, bis dato nur im Volksmund verwendet, löst die sog. Beleidigung auf sexueller Grundlage ab. Die Norm fungiert insbesondere als „Auffangtatbestand“ für bislang nicht strafbares, von Teilen der Gesellschaft indes als sozial grenzwertig und „ungehörig“ empfundenes Verhalten. Abgrenzungsprobleme stellen sich zu dem ebenfalls neuen Tatbestand Sexueller Übergriff durch Ausnutzen eines Überraschungsmoments, § 177 Abs. 2 Nr. 3.
Klassische Beispiele für ein solches grenzwertigen Verhalten, welche nun mittels einer Anzeige wegen sexueller Belästigung aufgefasst werden, sind:
- unerwünschte Umarmungen
- ein aufgedrängter Kuss
- Berührungen im Bereich der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale
- ein Klaps auf den Po
Anzeige wegen sexueller Belästigung: Was umfasst die Tat?
In objektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand sexuelle Belästigung eine nach dem äußeren Erscheinungsbild sozial inadäquate körperliche Berührung mit sexueller Konnotation, durch die sich eine andere Person belästigt fühlt. Hiermit ergeben sich bei einer Anzeige wegen sexueller Belästigung erhebliche Wertungsspielräume und damit auch Verteidigungsspielräume. Dies insbesondere bei der Bestimmung, was denn konkret –und aus Sicht des „Täters“ sexuell motiviert ist. Ebenso, ab welcher Grenze sich ein „Opfer“ subjektiv belästigt fühlt. Und ferner, welches Verhalten denn nun konkret die sog „Erheblichkeitsschwelle“ hin zur Strafbarkeit überschreitet und welches hingegen noch „sozialüblich“ ist. Wie Sie sehen können, hängt es von vielen subjektiven Merkmalen ab, ob die vorgeworfene Handlung den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt.
Die Problematik der Nachweisbarkeit stellt das Gericht im Einzelfall oftmals vor schwere Beurteilungen und Entscheidungen:
Aus Perspektive des Täters ist bei einer Anzeige wegen sexueller Belästigung zu hinterfragen, ob die vorgeworfene Berührung als sexuell beabsichtigt war und ob ihm das sexuelle Handeln bzw. der Missbrauch wirklich bewusst war. Oftmals fällt es hier schwer den Vorsatz des Beschuldigten zu bewerten und ausreichend zu deuten. Im Einzelfall kann es hier zu Schwierigkeiten kommen, wenn der Täter die abwegige Annahme aufstellt, dass das Opfer die sexuellen Berührungen oder Tätigkeiten als Kompliment oder dergleichen aufgefasst hat.
Andernfalls spielt das subjektive Empfinden und die Sicht des Opfers eine maßgebliche Rolle für den Tatbestand. Hierbei ist es von großer Bedeutung, dass die Bestimmung der Belästigung allein durch das Empfinden der betroffenen Person erfolgt. Denn allein das Opfer kann genau beschreiben, inwieweit es sich belästigt gefühlt hat und ob diese Handlungen einer Anzeige wegen sexueller Belästigung gerecht werden.
Kontaktieren Sie michDurch Subjektivität und problematischer Nachweisbarkeit ergeben sich bei einer Anzeige wegen sexueller Belästigung erhebliche Wertungsspielräume und damit auch Verteidigungsspielräume. Hier setzte ich an.
Verbale Belästigungen, wie sexuelle Kommentare über das Aussehen einer Person, Pfeifen, Nachrufen oder das Erzählen „anstößiger“ Witze, werden nicht von dem Tatbestand sexuelle Belästigung strafrechtlich erfasst; spielen indes eine zunehmende Rolle im Bereich des Arbeitsrechts (§ 3 Abs. 4 AGG). Strafrechtlich können sie indes weiterhin als sexuelle Beleidigung verfolgt werden. (Lesen Sie dazu auch meinen Kommentar zum Thema "Catcalling" im Blog.)
Erstattung der Anzeige: Wie kommt es zur Strafverfolgung?
Nach § 184i Abs. 3 StGB wird eine Anzeige wegen sexueller Belästigung (bei Taten wie sexueller Nötigung, Vergewaltigung und alle anderen sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen des Opfers) erst erhoben, wenn ein Strafantrag seitens des Opfers gestellt wurde. Eine Ausnahme liegt vor, wenn die Strafverfolgungsbehörde, wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, ein Einschreiten des Amts für geboten hält. Bei allen anderen Fällen muss das Opfer laut Gesetz durch seinen Rechtsanwalt einen Strafantrag bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft stellen oder diesen beim zuständigen Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft zur Niederschrift einreichen. Die Antragstellung bezüglich einer Anzeige wegen sexueller Belästigung sollte gemäß des § 77b StGB möglichst zeitig erfolgen.
Welche Strafe droht beim Vorwurf sexueller Belästigung?
Sexuelle Handlungen gegen des Opfers Willen werden nach § 184i Abs. 1 StGB mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet. Allerdings gibt es bei besonders schwerer sexueller Nötigung eine Ausnahme. Hier kann nach § 184i Abs. 2 StGB eine erhöhte Freiheitsstrafe für den Täter verhängt werden. Dieser besonders schwere Fall von sexueller Belästigung liegt nach § 184i Abs. 2 StGB z.B. vor, wenn die strafbare Handlung von mehreren Tätern durchgeführt wurde. Sollte beispielsweise eine Gruppe mehrerer junger Männer eine Frau einkreisen und sexuell nötigen, sie vergewaltigen oder in anderer Form Gewalt anwenden, so kann von einer besonders schweren Tat ausgegangen werden. Die Straf-Erhöhung bei einer Anzeige wegen sexueller Belästigung kann in einem solchen Fall in der Höhe von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausfallen. Falls gegen Sie ein Vorwurf wegen sexueller Belästigung erhoben wurde, wenden Sie sich am besten an einen erfahrenden Anwalt für Sexualstrafrecht.
Rechtsanwältin Anne Patsch: Erfolgreiche Verteidigung an Ihrer Seite
Mit meiner Erfahrung und meinem Wissen zur Rechtslage ist es mein Ziel, Sie vor einer fälschlichen Anklage wegen sexueller Belästigung und der entsprechenden Verurteilung zu schützen. Zusammen mit Ihnen bespreche ich den Handlungsablauf und ihre Sichtweise. Ebenfalls erläutere ich Ihnen, nachdem ich Akteneinsicht genommen habe, den Stand der Ermittlungen und kläre Sie über die Rechtslage auf, um das Verfahren schnellstmöglich einzustellen und eine Verurteilung zu verhindern. Als erfahrene Anwältin für Sexualstrafrecht verteidige ich Sie nicht nur im Falle einer Anklage wegen sexueller Belästigung, sondern auch bei einem Vorwurf von Kindesmissbrauch oder dem Missbrauch Jugendlicher. Kontaktieren Sie mich, wenn ihnen ein sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, damit wir ein langes und unangenehmes Verfahren verhindern können!
Sexuelles Ausnutzen sonstiger Umstände - § 177 Abs. 2 Nr. 1 - 5
Seit dem 10.11.2016
Neu ist ferner der Tatbestand „Sexuelles Ausnutzen sonstiger Umstände gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1 – 5. Die Strafandrohung ist hier, wie bei § 177 Abs. 1 Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren. Die Tat verjährt sonach ebenfalls nach 5 Jahren. Tathandlung ist hier jeweils das Ausnutzen einer bestimmten Situation zur Vornahme der sexuellen Handlung. Insgesamt unterscheidet der Tatbestand fünf Konstellationen; allen ist gemeinsam, dass das „Opfer“, also der Adressat der sexuellen Handlung in der jeweiligen Situation keinen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen bilden kann – was der Täter zur Vornahme der sexuellen Handlung ausnutzt.
Sei es, weil das „Opfer“ aktuell unter „KO-Tropfen“ steht, völlig betrunken oder ohnmächtig ist ( § 177 Abs. 2 Nr. 1); oder sei es, dass das „Opfer“ körperlich oder geistig behindert ist, und hierdurch seinen Willen nur eingeschränkt bilden und äußern kann (§ 177 Abs. 2 Nr. 2).
Ferner, wenn der Täter das Opfer mit der sexuellen Handlung „überrumpelt“, diese also so spontan vornimmt, dass das Opfer nicht die Gelegenheit hat, einen der sexuellen Handlung möglicherweise entgegenstehenden Willen zu bilden (§ 177 Abs. 2 Nr. 3; Ausnutzen eines Überraschungsmoments).
Eine weitere Fallgruppe bildet die unter der bis 10.11.2016 geltenden Rechtlage nicht zu fassende Konstellation eines „Klima der Gewalt“. Hierbei nutzt der Täter „eine Lage aus, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht“, § 177 Abs. 2 Nr. 4 StGB. „Klassisches“ Beispiel durfte hier die Situation häuslicher Gewalt sein, indem das Opfer Gewalt erwartet, sollte es sich nicht den sexuellen Handlungen fügen.
Ebenso § 177 Abs. 2 Nr.6: hier nötigt der Täter das Opfer zu sexuellen Handlungen durch Androhung eines empfindlichen Übels – allerdings nicht (wie bei der sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 5) mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit Gewalt.
Erfolgsstrategien der Strafverteidigung bei Sexualdelikten.
Wer mit dem Vorwurf eines Sexualdelikts, wie sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch oder Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie konfrontiert wird, befindet sich schnell in einem Zustand existentieller Bedrohung. Schon mit dem bloßen Vorwurf setzt eine Dynamik ein, die ihn in persönlicher und beruflicher Beziehung unter massiven Druck setzt.
Für eine erfolgreiche Verteidigung gibt es deshalb eine Grundvoraussetzung: Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Anwalt, in dem die extreme Belastung und alles, was dazu gehört, offen thematisiert werden kann.
Das reformierte Strafrecht macht es Beschuldigten nicht leicht. Nicht nur die Strafen sind verschärft, auch die Schwellen zu einer strafwürdigen Handlung sind herabgesetzt und die Aussichten auf Erfolg stehen oft im Schatten des Opferschutzes. Meine lange Erfahrung sagt mir: Die Erfolgsaussichten verbessern sich, je früher die Verteidigung einsetzen kann. Ist das der Fall, sollte eine effiziente Strafverteidigung alles daran setzen, das Verfahren zum Abschluss zu bringen, ehe es zur Anklage kommt. Es erspart zudem die Öffentlichkeit einer Verhandlung und kann den sozialen Druck erheblich mindern. Auf allen Stufen der Verteidigungsarbeit liegt der Schlüssel zum Erfolg in der hochentwickelten Fähigkeit, mit der Methode der forensischen Aussagepsychologie die Belastungsaussage in Ihrer Glaubhaftigkeit zu entkräften.