Einstellung des Verfahrens
Die Einstellung des Verfahrens, mithin die Beendigung des Strafverfahrens ohne Hauptverhandlung und unter Verzicht auf jegliche strafrechtliche Verurteilung ist in jeder Lage des Verfahrens und auf der Grundlage jeweils verschiedener Normen denkbar. Dabei ist die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, sog. Einstellung des Verfahrens mangels hinreichendem Tatverdacht, nur im Ermittlungsverfahren möglich. Die Einstellung nach § 153 StPO und die Einstellung nach § 153 a StPO sind hingegen im Ermittlungsverfahren als auch noch im Zwischenverfahren und Hauptverfahren möglich. Der positive Effekt der Einstellung nach § 153 StPO sowie der Einstellung nach § 153 a StPO ist, dass das Ermittlungsverfahren damit endgültig eingestellt ist. Dies bei der Einstellung nach § 153 StPO sofort mit Beschluss der Staatsanwaltschaft, bei der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO mit Erfüllung der Auflagen und Weisungen seitens des Beschuldigten. Das Verfahren kann also nicht mehr aufgenommen werden – das heißt, es tritt Strafklageverbrauch zugunsten des Beschuldigten ein.
Die häufigsten Gründe für die Einstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung sind im Strafrecht:
- Einstellung des Strafverfahrens gem. § 153 StPO wegen Geringfügigkeit
- Einstellung des Strafverfahrens gem. § 153 a StPO nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen
- Einstellung des Strafverfahrens gem. § 154 StPO bei Mehrfachtätern
- Einstellung des Strafverfahrens gem. § 154a StPO zur Beschränkung der Strafverfolgung
- Einstellung des Strafverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses
Einstellung des Strafverfahrens mithilfe einer Verteidigerschrift
Im nächsten Schritt bzw. parallel zu den Beweisanträgen bietet sich zumeist der Entwurf einer fundierten Verteidigerschrift an, welche auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gerichtet ist.
Auf diese Weise haben wir hinsichtlich der intendierten Einstellung des Verfahrens zugleich die Möglichkeit, aussagepsychologische Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage gegen den Beschuldigten festzuschreiben, und gegebenenfalls Beweisanträge auf die Einholung eines aussagepsychologischen und/oder psychiatrischen Gutachtens zur Aussagetüchtigkeit des vermeintlichen Opfers und Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage zu stellen. Zudem (weitere) Videovernehmungen des vermeintlichen Opfers anzuregen, Beweisanträge auf Vernehmungen weiterer Personen aus dem sozialen Nahbereich des vermeintlichen Opfers und Überprüfung deren Glaubwürdigkeit, Beweisanträge zu Privatkontakten und Umfeld des vermeintlichen Opfers zu stellen.
Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
Die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO bedeutet Einstellung „mangels hinreichendem Tatverdacht“, dass entweder tatsächlich keine Straftat begangen wurde, oder aber die Straftat zwar begangen wurde, die Beweise jedoch nicht ausreichen, um dem Beschuldigten die Tat gemäß Strafrecht nachzuweisen; alternativ, dass einer Verurteilung des Beschuldigten Prozesshindernisse entgegenstehen.
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO ist quasi der „Freispruch“ des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren – allerdings ohne Rechtskraft, denn das Verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden. Legt der Anzeigeerstatter gegen die Einstellung nicht fristgerecht binnen 2 Wochen Beschwerde ein, ist das Ermittlungsverfahren aufgrund der Einstellung indes in aller Regel erledigt.
Einstellung nach § 153 StPO
Einstellung nach § 153 StPO bedeutet Einstellung des Verfahrens gemäß Strafrecht wegen Absehens von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht – dies auch ohne Zustimmung des Angeklagten.
Dabei ist das Gesetz mit der Formulierung in § 153 StPO des Inhalts „wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre“ missverständlich. Denn gemeint ist: „Selbst wenn man die Schuld am Ende eines öffentlichen Gerichtsverfahrens feststellen würde, dann wäre sie allenfalls als gering zu bewerten“.
Einstellung wegen Geringfügigkeit setzt voraus, dass es sich bei der einzustellenden Tat um ein Vergehen handelt; mithin um eine Strafvorschrift, deren Mindeststrafe unterhalb der Grenze von 1 Jahr Freiheitsstrafe liegt. Im Sexualstrafrecht ist demnach eine Einstellung des Verfahrens bei Vorwürfen der sexuellen Nötigung, Vergewaltigung und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern schon deshalb niemals möglich, weil sexuelle Nötigung und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern bereits eine Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe vorsehen; bei Vergewaltigung liegt die Mindeststrafe bei 2 Jahren Freiheitsstrafe.
„Klassische“ Beispiele, in denen der Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO eine große Bedeutung zukommt, sind insbesondere die Vorwürfe Kinderpornographie oder Exhibitionismus. Für Kinderpornographie gilt: Seit Gesetzesänderung zum 01.07.2021 ist Kinderpornographie ein Verbrechenstatbestand; also Mindeststrafe 1 Jahr Freiheitsstrafe. Hingegen sind einfache Fälle des sexuellen Übergriffs, also die Fälle des § 177 Abs. 1, gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt sowie § 177 Abs. 2 sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
- der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
- der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
- der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht (= sexuelle Nötigung) oder
- der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
Unter Umständen, nämlich dann, wenn der jeweilige Straftatbestand überhaupt keine Mindeststrafe vorsieht, ist die Einstellung nach § 153 StPO allein durch Beschluss der Staatsanwaltschaft – ohne Mitwirken des für die Eröffnung des Hauptverfahrens an sich zuständigen Gerichts – möglich. So beispielsweis, wenn sich der Beschuldigte dem Vorwurf der „sexuellen Beleidigung“ ausgesetzt sieht. Hier kann die öffentliche Strafverfolgung gemäß § 153 StPO durch den Staatsanwalt eingestellt werden.
Einstellung nach § 153 a StPO Abs. 1 und Abs. 2
Die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO, Einstellung aufgrund des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen, ist wie die Einstellung nach § 153 StPO nur möglich, wenn die verfahrensgegenständliche Tat ein Vergehen ist. Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern kommen demnach für eine Einstellung nach § 153 a StPO nie in Frage; wohl aber etliche andere Delikte im Sexualstrafrecht, die eine geringere Mindeststrafe als Freiheitsstrafe von 1 Jahr vorsehen. Auch in diesem Fall kann die öffentliche Strafverfolgung durch den Staatsanwalt eingestellt werden.
Die Einstellung erfolgt hier ebenfalls im Ermittlungsverfahren durch Beschluss der Staatsanwaltschaft, § 153 a Abs. 1 StPO, im Zwischenverfahren und Hauptverfahren durch Beschluss des Gerichts bei gleichzeitiger Zustimmung des Angeklagten, § 153 a Abs. 2 StPO.
Anders als bei der Einstellung nach § 153 StPO ist indes die Zustimmung des für die Eröffnung des öffentlichen Hauptverfahrens zuständigen Gerichts erforderlich. Zugleich ist die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO zunächst nur eine vorläufige Einstellung.
Dies, da die Einstellung nach § 153 a StPO an die Erfüllung von Auflagen und Weisungen durch den Beschuldigten gebunden ist. Sobald er sämtliche Auflagen und Weisungen erfüllt hat, erfolgt die Einstellung des Strafverfahrens endgültig.
„Klassische“ Auflagen und Weisungen im Rahmen der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO sind insbesondere die Zahlung eines Geldbetrags zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse, die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA). oder die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs.
Vorteile der Einstellung nach §§ 153, 153 a StPO
Vorteile der Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO sind für Beschuldigte insbesondere, dass mit erfolgter Einstellung auch Rechtskraft und damit Strafklageverbrauch eintritt, sofern sich der Tatvorwurf nicht doch noch später als Verbrechen erweist. Grundsätzlich kann also der Tatvorwurf nicht wie bei der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO seitens der Staatsanwaltschaft jederzeit wieder aufgenommen werden oder seitens des vermeintlichen Opfers im Beschwerdeweg doch noch zu einer Anklage und Verurteilung gebracht werden kann.
Weitere Vorteile der Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO durch den Staatsanwalt sind insbesondere die „geräuschlose“ Erledigung des Strafverfahrens ohne oder, bei § 153 a Abs. 2 StPO, zumindest nicht umfangreiche Hauptverhandlung.
Einstellung nach §§ 153, 153 a Abs. 1 und Abs. 2 StPO
Diese Frage ist mittlerweile nur äußerst schwierig zu beantworten. Dies insbesondere nach einer Entscheidung des VG Magdeburg (Verwaltungsgericht Magdeburg, Urteil vom 14.3.2013 - 3 A 339/11) ist sehr fraglich geworden, ob die Einstellung nach §§ 153,153 a StPO noch Verteidigungsziel sein kann. Denn das VG Magdeburg hat in seiner Entscheidung einen Arzt im Approbationswiderrufsverfahren als „unwürdig“ befunden und dem Arzt die Approbation widerrufen auf der Grundlage eine dem Approbationswiderrufsverfahren im Strafverfahren vorausgegangenen Beschluss nach § 153 a StPO (!).
Bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Magdeburg wäre die Frage, ob die Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO Verteidigungsziel sein kann, meines Erachtens in Anbetracht der vielen Vorteile der Einstellung nach §§ 153, 153 a StPO zumeist mit „ja“ zu beantworten gewesen.
Denn zumindest nach bisherigem Verständnis bedeutet die Einstellung nach §§ 153, 153 a StPO kein Schuldeingeständnis; dementsprechend zieht die Einstellung nach §§ 153, 153 a StPO auch keinen Eintrag im BZR und Führungszeugnis nach sich.
Vielmehr besagt § 153 StPO, dass die Schuld des (vermeintlichen) Täters als gering anzusehen wäre, falls die - ja gerade nicht durchgeführte- Hauptverhandlung überhaupt einen Schuldnachweis ergeben hätte.
Dies bedeutet, dass mit der Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO gerade keine Schuld als erwiesen gilt; mithin die Unschuldsvermutung für den (vermeintlichen) Täter gerade nicht ausgeräumt ist. Sonach dürfte an sich auch kein entsprechendes Präjudiz für ein etwaiges berufsrechtliches oder zivilrechtliches Verfahren entstehen. Die Entscheidung des VG Magdeburg vom 14.3.2013, Aktenzeichen 3 A 339/11, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich!
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