Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen § 174, vertieft
Der Tatbestand der Norm „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ differenziert zunächst nach dem Alter des potentiellen Opfers.
So betrifft das Delikt sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ ausschließlich potentielle Opfer der Altersgruppe des Alters zwischen 14 – 18.
Innerhalb dieser Altersgruppe wird sonach differenziert zwischen der Altersgruppe 14 – 16 einerseits, sowie der Altersgruppe 16 – 18 andererseits:
- „Schutzbefohlener“ der Altersgruppe 14 – 16:
Demnach begründet eine Strafbarkeit wegen des Vorwurfs sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen in der Altersgruppe14-16, : § 174 Abs. 1 Nr. 1, allein der Umstand, dass der Schutzbefohlene Ihnen als potentiellem Täter in „Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung anvertraut“ ist. - Schutzbefohlener“ der Altersgruppe 16 – 18:
Indes bedarf es für das Risiko des Vorwurfs „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ bei Schutzbefohlenen der Altersgruppe 16 – 18 der weiteren Voraussetzung, dass die sexuelle Handlung „unter Missbrauch der hiermit verbundenen Abhängigkeit“ erfolgt.
Dies bedeutet, dass in denjenigen Fällen, in denen der Schutzbefohlene zwischen 16 und 18 Jahren alt ist, nicht mehr alleine das Bestehen eines „Über-/Unterordnungsverhältnisses“ Ihre Strafbarkeit aus der Norm sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen begründen kann.
Vielmehr muss hinzukommen, dass Sie als potentieller Täter den „Missbrauch“ zum Nachteil des Schutzbefohlenen gerade mit Blick auf dessen Abhängigkeit von Ihnen begehen – sei es, weil er sich gute Ausbildungsnoten, sei es, weil er sich finanzielle Vorteile von Ihnen erhofft.
Mit anderen Worten – Sie gehen bei sexuellen Handlungen mit einem Schutzbefohlenen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren nur dann das Risiko einer Strafbarkeit ein, wenn Sie die von Ihnen gegebenen Abhängigkeit Ihres Schutzbefohlenen für sexuelle Handlungen ausnutzen und damit „missbrauchen“.
Zentrale Begriffe der unserer heutigen Sprache nicht mehr ganz angemessenen Sprache des Strafgesetzbuches sind die Begriffe
- „Schutzbefohlener“ und
- Anvertrautsein“.
Daneben – wie immer dann, wenn es um Vorwürfe im Sexualstrafrecht geht, der Begriff „sexuelle Handlung".
Ratio der Norm „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ ist die ungestörte sexuelle Entwicklung junger Menschen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die einem besonderen Schutz unterliegen, wenn sie zu dem potentiellen Täter in einem besonderen Verhältnis (als Ausbildungs-, Betreuungs- oder Erziehungsverhältnis) stehen.
Tathandlung und Tatbestand § 174 StGB
Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe der Norm „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ geht das Risiko, sich strafbar zu machen, ein,
„wer – wissentlich und willentlich- sexuelle Handlungen an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist“ sowie wer
wissentlich und willentlich an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
wissentlich und willentlich an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt, vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt“.
Und, ebenso, derjenige, dem wissentlich und willentlich
„in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt, oder der wissentlich und willentlich
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt“
Daneben geht das Risiko der Strafbarkeit entsprechend dem Delikt „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ ein,
wer die vorgenannten sexuellen „Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen“.
Schutzbefohlener}
Schutzbefohlener ist, wer dem potentiellen Täter des § 174 StGB „zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut“ oder „im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist“.
Anvertraut zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung
Anvertraut zur Erziehung“ liegt vor bei einem Obhutsverhältnis zwischen beiden Personen, in dessen Rahmen der eine (hier: der Schutzbefohlene) dem anderen (hier: dem potentiellen Täter) anvertraut ist.
Ein entsprechendes Obhutsverhältnis kann bereits gesetzlich begründet sein –so bei allen Sorgeberechtigten wie Eltern, Adoptiveltern, Vormund, Pflegeeltern, unter Umständen Großeltern, Stiefelternteil, wenn dieses tatsächlich in Übereinstimmung mit dem anderen Elternteil in die Erziehung des Schutzbefohlenen integriert ist; Lehrer und Schulleiter sowie evangelische Geistliche beim Konfirmandenunterricht.
Weiter kann es in einer faktischen Stellung begründet sein – so etwa bei Lehrern; ebenso durch einseitige Verantwortungsübernahme wie beispielsweise bei einem Leiter einer Jugendgruppe oder Trainer.
Anvertraut zur Ausbildung
Anvertraut zur Ausbildung“ setzt ein rechtliches (Berufs)-Ausbildungsverhältnis voraus, bei dem es primär auf die Vermittlung von Wissen auf einem bestimmten Gebiet zur Vorbereitung auf einen Beruf ankommt – insbesondere also ist ein Lehrling und Praktikant Schutzbefohlener seines Ausbilders;
Anvertraut zur Betreuung in der Lebensführung
Anvertraut zur Betreuung in der Lebensführung“ ist immer dann zu bejahen, wenn Sie für das körperliche und/oder das psychische Wohl des Schutzbefohlenen verantwortlich sind – etwa als Heimleiter, Bewährungshelfer, Leiter einer Schülermannschaft, Lagerleiter bei einem Zeltlager sowie Ferienkind/ Austauschschüler, den sich für längere Zeit in Ihren Haushalt aufnehmen.
Ausnutzen, § 174 Abs. 2 Nr. 2 StGB
Das Ausnutzen, mithin der Missbrauch der Abhängigkeit des Schutzbefohlenen ist zur Begründung der Strafbarkeit aus dem Delikt sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen als zusätzliche Voraussetzung einer Strafbarkeit erforderlich, wenn der Schutzbefohlenen der Altersgruppe zwischen 16 und 18 Jahre angehört. Mithin begründet in der Altersgruppe zwischen 16 und 18 Jahren das bloße Bestehen des „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ allein nicht mehr für sich genommen bereits die Strafbarkeit aus dem Delikt „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“.
Vielmehr setzt die Strafbarkeit aus dem Delikt „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ voraus, dass Sie als Ausbilder oder Vorgesetzter -als potentieller Täter der Norm „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ - den Missbrauch gerade mit Blick auf die finanzielle oder ausbilderische Abhängigkeit des Schutzbefohlenen von Ihnen vornehmen.
Demnach muss Ihre Machstellung zumindest ein mitbestimmender Faktor dafür sein, dass sich der Schutzbefohlenen auf die entsprechenden sexuellen Handlungen mit Ihnen einlässt; der Zusammenhang des Abhängigkeitsverhältnisses mit den sexuellen Handlungen muss demnach dem Schutzbefohlenen wie auch Ihnen selbst bewusst sein, indem Sie Ihre Macht und Überlegenheit gegenüber dem Schutzbefohlenen dergestalt einsetzen, um sich den Schutzbefohlenen sexuell “gefügig” zu machen.
Strafe, Strafzumessung bei § 174 StGB
Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren droht Ihnen bei sexuellen Handlungen mit einem Schutzbefohlenen im Alter von 14 – 16 Jahren, § 174 Abs. 1 StGB; ebenso bei sexuellen Handlungen mit einem Schutzbefohlenen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, wenn unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 StGB.
Erfolgen die vorgenannten sexuellen Handlungen ohne direkten Körperkontakt zwischen potentiellem Täter und potentiellem Opfer, sonach dann, wenn Sie sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornehmen oder den Schutzbefohlenen dazu bestimmen, sexuelle Handlungen vor Ihnen vorzunehmen, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, trotz Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Soweit der gesetzliche Strafrahmen.
Wo sich indes innerhalb dieses Strafrahmens die Strafe im konkreten Einzelfall bewegt, hängt von etlichen weiteren Faktoren ab. So etwa von dem genauen Alter des Schutzbefohlenen; der Anzahl der Vorfälle sowie von der Frage, ob sich die sexuellen Handlungen negativ auf das weitere Leben des Schutzbefohlenen ausgewirkt haben. Hinzu kommen regionale Unterschiede –wobei die Gerichte in Süddeutschland eher dazu neigen, den für das einzelne Sexualdelikt gesetzlich jeweils vorgegebenen Strafrahmen tendenziell im oberen Bereich auszuschöpfen, während die Gerichte in NRW, Bremen und Berlin eher großzügiger zugunsten des Angeklagten urteilen.
Vermeidung der Hauptverhandlung
Je nach konkreter Fallgestaltung ist bei der „Bestrafung“ aus dem Delikt sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen im Einzelfall sogar eine Verfahrensbeendigung mittels Strafbefehl , also unter Vermeidung der öffentlichen Hauptverhandlung möglich.
Selbst die außergerichtliche Beendigung des Verfahrens im Wege einer Einstellung gegen Auflagen, die Durchführung eines TOA (Täter-Opfer-Ausgleich, § 46a StGB) ist vom Gesetz her möglich; ebenso ein vollständiges Absehen von Strafe unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 StGB in denjenigen Fällen, in denen die Initiative zu dem sexuellen Kontakt von dem sexuell bereits erfahrenen Schutzbefohlenen ausgeht oder bei partnerschaftsähnlichen Beziehungen zwischen dem Schutzbefohlenen und potentiellen „Täter“.
Erziehungsprivileg, Sorgeberechtigte
Besonderheiten für § 180 Abs. 1 StGB gelten für Sorgeberechtigte des Minderjährigen. Denn Sorgeberechtigte kommen nur dann als Täter des § 180 Abs. 1 StGB in Betracht, wenn sie ihre „Erziehungspflicht gröblich“ verletzen (sog. Erziehungsprivileg).
So verletzen Sorgeberechtigte ihre Erziehungspflicht jedenfalls dann gröblich, wenn sie dem Minderjährigen Gelegenheit zur Prostitution bieten. Ferner dann, wenn es sich bei dem Minderjährigen noch um ein Kind handelt, der Minderjährige das 14. Lebensjahr also noch nicht vollendet hat, und die Sorgeberechtigte dem Kind günstige Bedingungen für sexuelle Handlungen schaffen (sog. Vorschubleisten) indem sie beispielsweise ihr 13-jähriges Kind und dessen jugendlichen oder erwachsenen Partner in der Wohnung übernachten lassen.
Kuppelei: Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
Ratio legis des Delikts Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger, § 180 StGB, im Strafrecht auch „Kuppeleiparagraph“ genannt, ist der Schutz der ungestörten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vor vorzeitigen oder gefährlichen sexuellen Erlebnissen (§ 180 Abs. 1 StGB) sowie der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor einem Abgleiten in die Prostitution. Welche Tathandlungen der Tatbestand der Kuppelei umfasst und welche Strafen drohen erfahren Sie im Folgenden.
Tathandlungen: Kuppelei im Strafrecht
Das Strafrecht sieht vor, jene zu sanktionieren, die „sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren durch seine Vermittlung oder durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit Vorschub leistet“ (§ 180 Abs. 1 StGB).
Ferner begeht jener eine Straftat, der „eine Person unter achtzehn Jahren bestimmt, sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, oder wer solchen Handlungen durch seine Vermittlung Vorschub leistet“ (§ 180 Abs. 2 StGB). Ebenfalls macht sich jener der Kuppelei strafbar, der „eine Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit bestimmt, sexuelle Handlungen an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen“ (§ 180 Abs. 3 StGB).
Weitere Informationen zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen erhalten Sie ebenfalls auf meiner Webseite.
Welche Strafen drohen bei Kuppelei?
Wer sich der Straftat der Kuppelei schuldig macht, muss je nach Schwere der Tat mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe rechnen. Das Gesetz stützt sich diesbezüglich auf § 180 Absatz 1 StGB, § 180 Absatz 2 StGB und § 180 Absatz 3 StGB.
Die Norm sieht abhängig vom Tatbestand folgende Strafen vor:
- Strafmaß für die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger nach § 180 Absatz 1 StGB: Gefängnis bis zu drei Jahren und/oder Geldstrafe
- Strafmaß für die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger nach § 180 Absatz 2 StGB: Gefängnis bis zu fünf Jahren und/oder Geldstrafe
- Strafmaß für die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger nach § 180 Absatz 3 StGB: Gefängnis bis zu fünf Jahren und/oder Geldstrafe
- Des Weiteren ist der bloße Versuch der Kuppelei gemäß § 180 Absatz 2 StGB oder § 180 Absatz 3 StGB bereits strafbar. Für die versuchte Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gemäß § 180 Absatz 1 StGB ist indes keine Strafbarkeit vorgesehen.
Achtung: Bei der Straftat der Kuppelei handelt es sich um ein Vergehen und nicht um ein Verbrechen. Der Unterschied: Ein Verbrechen ist ein Delikt, welcher mindestens eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten vorsieht. Abhängig von der Schwere der Tat sind bei der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger jedoch wie bereits aufgeführt lediglich Geldstrafen möglich.
Erziehungsprivileg: Besonderheit Erziehungsberechtigte
Erziehungsberechtigte können sich nur dann der Kuppelei strafbar machen, wenn sie Ihre Erziehungspflichten grob missachten. Dies ist etwa bei der Verschaffung zur Prostitution oder prostitutionsähnlichen Handlungen gegeben. Erlauben die Eltern zum Beispiel ihrer fünfzehnjährigen Tochter in der Wohnung ihres siebzehnjährigen festen Freundes zu übernachten, ist der Tatbestand der Kuppelei nicht erfüllt.
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K.O.-Tropfen
Oft spielen hierbei in jüngster Vergangenheit die sog. "K.O.-Tropfen" eine entscheidende Rolle – diese sind nur sehr wenige Stunden im Körper nachweisbar. Wenn Sie also ein Opfer einer Sexualstraftat sind oder glauben, dass sie eines sein könnten, sofort ins Krankenhaus zur Blutanalyse – nicht erst einen Tag später, dann wird es meist zu spät sein für einen Nachweis!
Besonderheit bei § 179 StGB: K.O.-Tropfen
K.O.-Tropfen, „Knockout-Tropfen“ sind Drogen mit narkotisierender Wirkung; oft Benzodiazepine, Rohypnol, GHB oder Liquid Ecstasy, verabreicht insbesondere über Getränke. Die Folgen sind Gedächtnislücken bis hin zur völligen Amnäsie für die Wirkungszeit, je nach stofflicher Zusammensetzung bei gleichzeitig zeitlich sehr beschränkter Nachweisbarkeit.
Vergewaltigung
Vergewaltigung, § 177 Abs. 2 StGB, ist ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung; und dogmatisch ein sog. Regelbeispiel. Voraussetzung der Vergewaltigung ist demnach eine sexuelle Nötigung, bei der der Täter vaginal, anal oder oral in den Körper des Opfers eindringt. Die jeweils schwere Vergewaltigung, §§ 177 Abs. III und IV ist dogmatisch eine Qualifikation der Vergewaltigung.
Da die Vergewaltigung dogmatisch ein Verbrechen ist, ist auch der Versuch der Vergewaltigung strafbar.
Erfolgsqualifikation Vergewaltigung, § 178 StGB|closed
§ 178 StGB ist dogmatisch eine sog. selbständige Erfolgsqualifikation der Vergewaltigung. § 178 StGB liegt vor, wenn das Opfer durch die Vergewaltigung, gleich, ob durch die Nötigungshandlung oder durch die sexuelle Handlung selbst stirbt und der Täter hinsichtlich der Todesfolge wenigstens leichtfertig handelte.
Leichtfertig bei der Vergewaltigung handelt, wer die Möglichkeit des Todes aus Gleichgültigkeit oder grobem Leichtsinn nicht sieht. „Klassisches“ Beispiel dürfte hier längeres Würgen sein.
Tathandlungen Vergewaltigung
Entsprechend des Gesetzeswortlauts begeht ist der Täter einer sexuellen Nötigung Täter einer Vergewaltigung, wenn er „mit dem Opfer den Beischlaf (also vaginalen Geschlechtsverkehr bei Eindringen zumindest in den Scheidenvorhof) vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen (oral oder anal) an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen (mit dem Glied, Finger oder einem Gegenstand) in den Körper verbunden sind“, oder wenn die sexuelle Nötigung von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
Ferner, wer eine sexuelle Nötigung unter Beisichführens einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begeht; oder „sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden“. Ferner, wer „das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt“.
Täter der Vergewaltigung ist auch, wer „bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt“.
- Beisichführen „Beisichführen“ von Waffe oder gefährlichen Werkzeugs liegt bereits dann vor, wenn der Täter bei der Vergewaltigung auf die Waffe oder das gefährliche Werkzeug jederzeit zugreifen kann.
- Waffe Waffe ist hier beispielsweise die Schusswaffe oder geladene Schreckschusspistole, Schlagring, Elektroschocker oder Pfefferspray.
- Gefährliches Werkzeug Gefährliches Werkzeug bei der Vergewaltigung ist jeder körperliche Gegenstand, der, zweckentfremdet, im Falle seines Einsatzes gegen eine Person bei dieser erhebliche Verletzungen verursachen kann – beispielsweise ein Hund oder Baseballschläger.
- Sonstiges Werkzeug Ein sonstiges Werkzeug bei der Vergewaltigung ist jeder Gegenstand, mit dem der Wille des Opfers gebrochen werden kann und den der Täter hierzu bewusst verwenden will, beispielsweise also eine Scheinwaffe oder Seil
- Schwere Gesundheitsschädigung Schwere Gesundheitsbeschädigung durch die Vergewaltigung besagt, dass durch die Vergewaltigung eine konkrete Gefahr dafür bestand, dass das Opfer eine ernste und langwierige Krankheit erleidet oder seine Arbeitskraft erheblich beeinträchtigt wird.
- Körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes gebracht Eine körperlich schwere Misshandlung bei der Vergewaltigung ist gegeben, wenn das Opfer –vom Täter beabsichtigt- erhebliche und lang andauernde Schmerzen erleidet.
Die Gefahr des Todes setzt eine konkrete lebensbedrohliche Gefahr für das Opfer bei der Vergewaltigung voraus.
Strafe bei Vergewaltigung
Die Strafe bei „einfacher“ Vergewaltigung ist eine Mindeststrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe. Eine Strafaussetzung zur Bewährung bei Vergewaltigung ist demnach nicht der Regelfall.
Schwere Vergewaltigung, § 177 Abs. 3 StGB hat eine Mindeststrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe; besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. IV hat eine Mindeststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe.
§ 178 StGB, Vergewaltigung mit Todesfolge, hat eine Strafdrohung von mindestens 10 Jahren Freiheitsstrafe.
Minder schwerer Fall der Vergewaltigung |closed
§ 177 Abs. V StGB regelt den minder schweren Falles der Vergewaltigung, also eine Vergewaltigung, bei der Unrechts- und Schuldgehalt im Vergleich zum Grundtatbestand unterdurchschnittlich ausgeprägt sind; insbesondere bei ambivalenten Opferverhalten in der konkreten Tatsituation. Kann zugunsten des Täters ein minder schwerer Fall der Vergewaltigung angenommen werden, droht ihm Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren.
Indes dürfte die Annahme eines minder schweren Falls der Vergewaltigung eher die Ausnahme sein bei entsprechender Gesamtwürdigung von Tat und Täter sein, zumal es sich bei der Vergewaltigung schon per se um einen besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung, also um ein Regelbeispiel, handelt Denkbar ist dann aber eine Bestrafung aus „sexuelle Nötigung“ und Verneinung des „besonders schweren Falls“.
Minder schwerer Fall nach § 177 Abs. 3 und § 177 Abs. 4
§§ 177 Abs. 3 und 177 Abs. 4 sind Qualifikationstatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung und als Qualifikationstatbestände der Annahme eines minder schweren Falls gegenüber sonach grundsätzlich offen.
Indes dürfte die Annahme eines minder schweren Falls nach § 177 Abs. 5 zumindest dann, wenn zugleich das Regelbeispiel des Abs. 2, also eine Vergewaltigung, vorliegt, nur in der Theorie möglich sein.
Strafzumessung Vergewaltigung
Strafzumessungsgrundsätze geben Anhaltspunkte dafür, wo innerhalb der Mindest- und Höchststrafrahmen der Freiheitsstrafe von 2 – 15 Jahren die für die jeweiligen Tatbestände der Vergewaltigung realistisch zu erwartende Strafe liegt. Unterschieden werden straferhöhende und strafmildernde Erwägungen:
Straferhöhende Umstände bei Vergewaltigung
Strafschärfend wirkt insbesondere, wenn das Regelbeispiels innerhalb einer Tat der Vergewaltigung mehrfach verwirklicht wurde, etwa Erzwingung von Oralverkehrs neben dem Vaginalverkehr oder mehrfaches Eindringen; Vergewaltigung unter anhaltenden Drohungen und länger dauernder Gewaltanwendung, ungeschützter Verkehr mit einer Ejakulation in die Vagina, Eindringen von mehr als zwei Tätern.
Strafmildernde Umstände bei Vergewaltigung
Die strafmildernden Umstände bei der Vergewaltigung entsprechen den strafmildernden Umständen bei der sexuellen Nötigung mit Ausnahmen des nur knappen Erreichens der Erheblichkeitsschwelle der sexuellen Handlung. Bitte lesen Sie gerne meine unter „Strafzumessung sexuelle Nötigung“ gemachten Ausführungen.
Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen
Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, § 179 StGB, liegt vor, wenn der Täter „eine andere Person, die wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder körperlich zum Widerstand unfähig ist“ dadurch missbraucht, indem er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt , an sich von ihr vornehmen lässt oder die widerstandsunfähige Person unter Ausnutzung ihrer Widerstandsunfähigkeit dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen.
Die Tat ist als Vergehen mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe ausgestaltet.
Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, § 179 StGB
Auch § 179 StGB, sexueller Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen, soll dem Schutz vor Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung dienen. Der sexuelle Missbrauch liegt im Fall des § 179 in der Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit des potentiellen Opfers gegen eine sexuelle Handlung des potentiellen Täters. Dies dergestalt, als die Widerstandsunfähigkeit den sexuellen Kontakt ermöglicht oder zumindest erleichtert, wobei der Täter die ihm dadurch gebotene Gelegenheit wahrnimmt.
Die Norm „Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“, § 179 StGB, sanktioniert demnach den sexuellen Missbrauch einer „zum Widerstand unfähigen“ Person.
Diese Formulierung des Gesetzes wirft naturgemäß einige Fragen auf: denn – wann ist „eine Person „zum Widerstand-unfähig”? Welche Konstellationen einer „Widerstandsunfähigkeit“ werden hier erfasst?
Widerstandsunfähigkeit
Der BGH sieht Widerstandsunfähigkeit unter 3 Voraussetzungen als gegeben an:
Dann, wenn das Opfer des Delikts sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob es in sexuelle Handlungen des Täters einwilligen möchte, mithin sexuelle Handlungen ausüben oder zulassen möchte; die Situation also überhaupt erfassen und bewerten kann; ferner, wenn das Opfer zwar einen Widerstandswillen gegen sexuelle Handlungen mit dem Täter bilden kann und bildet, diesen aber nicht äußern kann und entsprechend durchsetzen kann.
Fehlt es bereits an einer der genannten Fähigkeiten, gilt das Opfer als im Sinne der Norm „widerstandsunfähig“.
Dabei bestimmt § 179 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, die Situationen und Tatumstände, in welchen dies geschehen kann.
Konstellationen denkbarer Widerstandsunfähigkeit: Ursachen
Das Gesetz differenziert hier nach den denkbaren Ursachen, aufgrund derer eine Person – das potentielle Opfer – widerstandsunfähig gegen ein sexuelles Ansinnen sein kann. Die Widerstandsunfähigkeit kann also unterschiedliche Ursachen haben.
So kann Widerstandsunfähig sein, wer aus folgenden Gründen keinen Widerstand gegen das sexuelle Ansinnen eines anderen nicht in der Lage ist: aufgrund einer geistigen oder seelischen Krankheit (etwa diagnostizierter Psychose oder sonstiger hirnorganischer Störung) oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit; und/ oder aufgrund „einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung”, § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB, mithin u.a. während Schlaf, Ohnmacht; Hypnose, Alkohol-oder Drogenrausch und/ oder „körperlich”, § 179 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Dabei ist geistig widerstandsunfähig, wer - wegen geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung- keinen entsprechenden Willen gegen das sexuelle Ansinnen eines anderen bilden oder äußern kann; körperlich widerstandsunfähig, wer keinen Willen gegen das sexuelle Ansinnen eines anderen durchzusetzen kann – etwa, weil das Opfer querschnittsgelähmt oder gefesselt ist.
Für den Verteidigungsalltag relevant ist indes allein die Widerstandsunfähigkeit aufgrund „tiefgreifende Bewusstseinsstörung”.
Tathandlung und Tatbestand bei § 179 StGB|closed
Der Tatbestand der Norm sexueller Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen“ führt etliche denkbar mögliche Tathandlungen auf:
Demnach macht sich des sexuellen Missbrauch von Widerstandsunfähigen strafbar, wer
- an einer widerstandsunfähigen Person sexuelle Handlungen vornimmt oder von der widerstandsunfähigen Person an sich selbst vornehmen lässt; ferner,
- eine widerstandsunfähigen Person dazu bestimmt, also veranlasst bzw. beeinflusst, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder sexuelle Handlungen von einem Dritten an sich selbst vornehmen zu lassen;
Ferner –unter Androhung einer Mindeststrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe (!)- ,
- wer mit dem widerstandsunfähigen Opfer den Geschlechtsverkehr („Beischlaf“) vollzieht oder auf vergleichbare Weise – etwa mit einem Finger, oral oder anal – in den Körper des Opfers eindringt, alternativ mit Gegenständen anal oder vaginal in den Körper des Opfers eindringt bzw. das Opfer veranlasst, auf gleiche Weise in den Körper des Täters einzudringen;
- wer den sexuellen Übergriff in Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB, mit einer andere Person oder mehreren anderen Personen begeht, sowie,
- wer das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt; es also wahrscheinlich ist, dass das Opfer eine Gesundheitsschädigung oder Schädigung in der körperlichen oder seelischen Entwicklung davonträgt.
Weitere denkbare Tathandlungen verwirklicht daneben, wer – unter Androhung einer Mindeststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe,
- das Opfer bei der Tat, also in unmittelbaren Zusammenhang mit der sexuellen Handlung, körperlich schwer misshandelt, das Opfer also erhebliche Schmerzen erleidet oder einen langwierigen Gesundheitsschaden davonträgt; oder wer
- das Opfer durch die sexuellen Handlungen in konkrete Lebensgefahr („Gefahr des Todes“) bringt – etwa vorsätzlich mit dem HIV-Virus infiziert.
Tiefgreifende Bewusstseinsstörung, § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung bedeutet völlige Bewusstlosigkeit wie bei Schlaf oder Ohnmacht; schwere Rauschzustände nach Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenkonsum; Dämmerzustände bei Hypnose, Schockzustände, sowie, in Extremfällen, Zustände körperlich völliger Erschöpfung oder Apathie durch kumulativ/ alternativ Schlafentzug, Blutverlust und/ oder Nahrungsentzug. Das Opfer muss sich also in einer psychischen oder physischen Lage befunden haben, in der das intellektuelle und emotionale Erleben des Opfers derart gestört ist, so dass das Opfer die Situation nicht mehr realisieren kann, sich sonach nicht mehr frei für oder gegen eine sexuelle Aktivität entscheiden kann und deshalb die konkrete sexuelle Handlung des Täters auch nicht abwehren kann. Problematisch sind indes die Konstellationen, in denen das Opfer nicht völlig willenlos war und/ oder sich an den sexuellen Handlungen des „Täters“ sogar beteiligt hat.
Hierbei handelt es sich um eine normative Bewertung, die das Tatgericht selbst vornehmen muss und sich nicht allein auf entsprechende Ausführungen des Sachverständigen beziehen kann, sondern zur Beurteilung der konkreten Widerstandsunfähigkeit die von der Rechtsprechung zu §§ 20, 21 entwickelten Grundsätze zum Ausschluss oder zur erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit der zur beurteilenden Person entsprechend anwenden muss.
Demnach muss das Urteil bei einer Verurteilung aus dem Delikt sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten des zu beurteilenden Tatgeschehens die geistig-seelische Verfassung des Opfers und deren konkrete Auswirkung auf das Opferverhalten darlegen. Fehlt dies, ist das Urteil erfolgreich mit der Revision angreifbar. So zuletzt abermals ein Urteil des BGH (1 StrR 394/14) vom 5.11.2014 auf eine erfolglose Revision der Staatsanwaltschaft gegen einen Freispruch, wonach die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit eine „normative Entscheidung“ ist; „sie erfordert die Überzeugung des Tatrichters, dass das Opfer zum Widerstand gänzlich unfähig war“ (BGH 1 StrR 494/14).
Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Opfer des Delikts „sexueller Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen“ nur sein, wer wegen einer der im Gesetzestext abschließend aufgeführten Konstellationen (namentlich wegen geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder körperlich“, § 179 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) außerstande, „einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen“, vgl. BGH Aktenzeichen 4STR33811 4 StR 338/11, NStZ 2012, NSTZ Jahr 2012 Seite 150 f.).
Daneben darf zur Annahme der Widerstandsunfähigkeit nicht darauf abgestellt werden, ob das Opfer dann, wenn es die konkrete Situation emotional und intellektuell erfasst hätte, vermutlich Widerstand gegen die konkrete sexuelle Handlung geleistet hätte.
Vielmehr ist für die Bejahung der Widerstandsunfähigkeit im Rahmen des § 179 StGB allein entscheidend, dass das Opfer in der konkreten Situation und gegen die zu beurteilende konkrete sexuelle Handlung widerstandsunfähig war.
Strafe bei Sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger
Der Strafrahmen des § 179 StGB ist eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. §179 StGB ist demnach ein Vergehen. Gleichzeitig kann indes auch ein unbenannter besonders schwerer Fall des Grundtatbestands mit einer Mindeststrafe nicht unter 1 Jahr Freiheitsstrafe angenommen werden. Erfasst sollen hier Konstellationen, bei denen der Täter zwar nicht in den Körper des Opfers eindringt, dieses jedoch auf andere Art besonders erniedrigt hat Vollzieht der Täter mit dem Opfer in dieser Situation den Beischlaf oder dringt auf andere Weise – etwa mit dem Finger oder Gegenständen- in den Körper des Opfers ein, ist die Strafe Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren.
§ 179 Abs. 5 regelt den minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger. Die Strafe ist hier Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren. So kann ein minder schwerer Fall bei sexueller Missbrauch von Widerstandsfähigen dann vorliegen, wenn der Täter mit dem später volltrunkenen Opfer bereits vor der Tat Zärtlichkeiten in beiderseitigem Einvernehmen ausgetauscht hatte.
Für die Strafzumessung bei dem Vorwurf sexueller Missbrauch von Widerstandsunfähigen sind regelmäßig folgende Umstände relevant:
Strafmildernd |closed
Strafmildernd dürfte sich bei einer Bestrafung aus dem Delikt sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger auswirken, wenn sich die tatrelevanten sexuellen Handlungen noch an der unteren Schwelle zur Erheblichkeit (bitte verlinken) bewegten. Weiter strafmildernd dürfte es sich ebenfalls auswirken, wenn das Opfer vor der fraglichen Tat mit dem Täter noch einvernehmlich Zärtlichkeiten ausgetauscht hat und/ oder die Initiative zu sexuellen Handlungen vom Opfer ausging und der Täter irrtümlich von einem Einverständnis des Opfers zu den sexuellen Handlungen ausging.
Straferhöhend
-Straferhöhend dürfte sich für die Bemessung der Strafe bei dem Delikt sexueller Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen insbesondere auswirken, wenn im Zustand der Widerstandsunfähigkeit die sexuellen Handlungen mehrfach oder besonders brutal und rücksichtslos erfolgten; sadistische Handlungen, Fäkalerotik, ungeschützter Geschlechtsverkehr, ferner, ein besonderes Nähe-und Vertrauensverhältnis zwischen Opfer und Täter vor der Tat bestand, das durch die Tat erschüttert wird und/ oder das Opfer durch die Tat anhaltend traumatisiert ist und/ oder, wenn die Tat gefilmt wurde.
Falschbelastungen bei § 179 StGB
Der Vorwurf sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wird zumeist von Frauen, vereinzelt auch von Männern erhoben, wenn es mit einem bis dato unbekannten Partner nach heftigem Alkoholgenuss oder Drogengenuss zum Geschlechtsverkehr kam.
Im wieder nüchternen Zustand sieht sodann alles anders aus – und „man“ fragt sich, wie denn das „passieren konnte“. Und, naturgemäß, fällt es schwer, sich einzugestehen, dass man da gerade den „eigentlichen“ Partner betrogen hat - unter Umständen bemerkt dieser dies zudem und verlangt eine Erklärung-; oder dass man Sexualpraktiken im enthemmten Zustand ausprobiert hat, die man „im normalen Leben“ doch vehement ablehnt.
Scham, Peinlichkeit dürften bei einer Anzeige „sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger“ dominieren.
Als Rechtfertigungsversuch vor sich selbst und bleibt dann eine Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen. Meiner Erfahrung nach sind – im Gegensatz zu den AnzeigeerstatterInnen von Anzeigen mit dem Gegenstand sexuelle Nötigung und Vergewaltigung- selbst davon überzeugt, dass das sexuelle „Abenteuer“ einzig auf der Grundlage ihrer alkoholbedingten Widerstandsunfähigkeit, die der Partner besagter Nacht ausgenutzt haben soll, möglich war.
Dies macht die Verteidigung gegen den Vorwurf sexueller Missbrauch von Widerstandsunfähigen zunächst noch schwieriger als gegen den Vorwurf sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung zu verteidigen.
Denn die vermeintlichen Opfer wirken naturgemäß umso glaubwürdiger bei der Anzeigeerstattung und im Verfahren, zumal sie sich wahrheitsgemäß an etliche Details tatsächlich nicht erinnern können.
Bei Interesse lesen Sie bitte gerne meine weiteren Ausführungen unter „Falschbelastungen durch Erwachsene“.
Verteidigungsstrategien bei § 179 StGB
Behauptet das vermeintliche Opfer, es habe den vermeintlichen Vorfall ja gerade nicht mitbekommen, da es geschlafen oder aus anderen Gründen nicht bei Bewusstsein gewesen sei, fehlt es an einer entsprechenden Aussage, die einer aussagepsychologischen Prüfung u.a. auf Konstanz, Widersprüche und Detailreichtum analysiert werden kann. Indes bleibt natürlich mit den Mitteln der Aussagepsychologie die Betrachtung der Belastungsaussage zur Schilderung vor der (vermeintlichen) Situation der Widerstandsunfähigkeit; ferner auf die Schilderung in der Belastungsaussage, auf welche Weise das Opfer den Vorfall bemerkt haben will.
Weitere Ansätze für die Verteidigung finden sich daneben im Rahmen einer genauen Analyse der Tatbestandsmerkmale Widerstandsunfähigkeit und Ausnutzen; im Rahmen des Vorsatz sowie einer zu prüfenden Einwilligung.
Im Einzelnen:
Die Widerstandsunfähigkeit: die Widerstandsunfähigkeit muss absolut sein; nicht Begleitumstand.
Widerstandsunfähigkeit allein begründet noch nicht die Strafbarkeit aus § 179. Vielmehr muss ein Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit hinzukommen, die sexuelle Handlung darf also auch nicht von einer (mutmaßlichen) Einwilligung gedeckt sein.
Denn ein Ausnutzen fehlt dann, wenn das „Opfer“ in die sexuellen Handlungen wirksam eingewilligt hätte oder hat; etwa bei körperlicher Behinderung oder innerhalb einer Liebesbeziehung.
Ein weiterer Verteidigungsansatz ergibt sich im Rahmen des Vorsatzes, mithin im Rahmen der Frage, ob der „Täter“ die erkennen konnte oder zumindest hätte erkennen können müssen, dass das Opfer absolut widerstandsunfähig war und diesen Umstand bewusst zur Vornahme sexueller Handlungen nutzte. Kannte der potentielle Täter nicht die Tatsachen, aus denen sich die Widerstandsfähigkeit im konkreten Fall ergibt, fehlt es bereits am Vorsatz.
Verteidigungsansätze ergeben sich bei konsensualer Verteidigung zudem aus den Strafmilderungsgründen etwa, wenn das Vorverhalten des Opfers bereits Zärtlichkeiten zuließ oder wenn sich die vorgeworfene sexuelle Handlung, § 184 g StGB, an der unteren Schwelle der Erheblichkeit bewegt.
Bei Interesse lesen Sie bitte gerne auch meine weiteren Ausführungen unter “Herausforderung bei der Verteidigung im Sexualstrafrecht”.